Studienblog

Borderline – Therapien und ihre Wirksamkeit

Zu wissen, dass man an einer Borderline-Persönlichkeitsstörung leidet, ist für viele Betroffene sehr wichtig, da damit das ständige Grübeln, was mit einem nur los ist, aufhört. Die Diagnose gibt endlich eine Erklärung, warum bei einem einiges anders und vieles auch schiefläuft. Außerdem beweist die Diagnose, dass man selbst nicht Schuld hat, sondern, dass man an einer Krankheit leidet. Mit der Diagnose ergibt sich auch ein Fahrplan, wie man Lebensqualität wieder dazugewinnen kann. Welcher Fahrplan bzw. welche Therapie ist für Betroffene allerdings der bzw. die Richtige? In diesem Blogbeitrag besprechen wir drei Behandlungsmethoden, zu denen Studien und damit Wirksamkeitsnachweise existieren. Einen Hinweis, ob sie an einer Borderline-Störung leiden, kann unser Borderline-Persönlichkeitstest geben.

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Zusammenfassung

Es existieren nur wenige Studien zur Wirksamkeit von Behandlungstherapien der Borderline-Persönlichkeitsstörung. In diesem Blogbeitrag besprechen wir drei Ansätze, zu denen Wirksamkeitsnachweise überhaupt existieren! Geprüft wurden die Effektivität der Dialektisch-Behavioralen Therapie, der kognitiven Verhaltenstherapie und der Einsatz von Psychopharmaka. Da jeweils unterschiedliche Variablen gemessen wurden und unterschiedliche Effektstärken berichtet wurden, ist ein Vergleich der Wirksamkeit der drei Ansätze nicht ganz einfach. Insgesamt kann man wohl sagen, dass die Dialektisch-Behaviorale Therapie die Wirksamste der drei Therapieansätze ist. Dicht gefolgt von der kognitiven Verhaltenstherapie. Beide Therapien weisen beachtlich hohe Effektstärken auf. Auch die Behandlung mit Psychopharmaka besitzt durchaus eine positive Wirkung auf die Symptome einer Borderline-Störung. Der feste Kern der Störung bleibt von dieser Therapie allerdings unberührt.

Behandlung der Borderliner-Persönlichkeitsstörung

Obwohl die Anzahl an Borderline-Erkrankten in der Bevölkerung mit einem Anteil von 0,7% eher gering ist, ist der Behandlungsaufwand hoch. 11 bis 50% der Borderliner befinden sich in ambulanter Behandlung, 13 bis 68% in stationärer. Borderline ist die am häufigste vorkommende Persönlichkeitsstörung (Kröger & Kosfelder, 2007).

Borderliner beanspruchen psychiatrische Einrichtungen überproportional stark. 9 bis 40% der stationär behandelten Patienten leiden an einer Borderline-Persönlichkeitsstörung (Kröger & Kosfelder, 2007). Welche Therapien wirklich wirksam sind, ist also nicht nur für Betroffene von Interesse, sondern stellen auch einen erheblichen Kostenfaktor für das Gesundheitssystem dar.

Die Dialektisch-Behaviorale Therapie

Die Dialektisch-Behaviorale Therapie stellt eine Weiterentwicklung der Verhaltenstherapie (Cognitive Behavioral Therapy) dar. Sie besteht entsprechend aus Standardmethoden der Verhaltenstherapie wie Verhaltensanalysen und Kompetenz- und Problemlösetraining. Diese werden kombiniert mit zum Beispiel Achtsamkeitsübungen und Akzeptanzstrategien. Die Dialektisch-Behaviorale Therapie wird im stationären und im ambulanten Kontext angewandt (Kröger & Kosfelder, 2007).

Zu der Wirksamkeit der Dialektisch-Behavioralen Therapie existiert eine Metastudie aus dem deutschsprachigen Raum von Kröger und Kosfelder (2007). Die analysierten Studien ergeben eine Stichprobengröße von 295 Probanden. Eine nicht besonders hoch erscheinende Zahl, allerdings muss diese im Verhältnis zum hohen Studienaufwand bewertet werden.

Über alle untersuchten Symptome hinweg ergab die Dialektisch-Behaviorale Therapie eine Wirksamkeit von g= 0,62. Diese Zahl wird den wenigsten etwas sagen können. In der Psychologie spricht man allerdings in diesem Fall von einem mittelstarken Effekt mit einer Tendenz in Richtung starken Effekt.

Im Detail konnte die Therapie das impulsive Verhalten um g= 0,55 reduzieren. Potenziell selbstschädigendes Verhalten ist laut Metastudie um g= 0,61 verbesserbar. Auf beide gemessenen Symptome weist die Therapie also einen mittelstarken Effekt mit Tendenz zum starken Effekt auf. Als letzte Variable wurde außerdem die Anpassung des sozialen Verhaltens gemessen. Dies hört sich vielleicht im ersten Moment nicht nach etwas Anzustrebenden an. Allerdings vergisst man aus der Sicht eines Gesunden schnell, dass bei Borderline-Betroffenen das Sozialverhalten so stark von sozial verträglichen Verhalten abweichen kann, dass sie schwere Nachteile erleben müssen. Auf diese Variable hat die Dialektisch-Behaviorale Therapie einen sehr starken Effekt mit g= 1,09.

Die Dialektisch-Behaviorale Therapie stellt somit eine Therapieform für Borderline-Betroffene dar, für die zu allererst klare Wirksamkeitsnachweise vorliegen! Darüber hinaus weist sie beachtlich hohe Effektgrößen auf. In der Psychologie sind mittelstarke Effekte nicht per se die Norm! Die Datenlagen weist entsprechend eindeutig darauf hin, dass die Dialektisch-Behaviorale Therapie ein geeignetes Mittel ist, um Borderline-Betroffene zu therapieren.

Die kognitive Verhaltenstherapie

Die kognitive Verhaltenstherapie (Cognitive behavioral Therapy) ist selbst Teil der dialektischen Verhaltenstherapie, wurde allerdings innerhalb einer Studie aus dem US-amerikanischen Raum für sich stehend auf seine Wirksamkeit geprüft (Davidson et al., 2006). Der Untersuchungszeitraum war mit zwei Jahren relativ groß angelegt, weshalb auch Aussagen über die langfristige Wirksamkeit der Therapie möglich sind.

Beim Vergleich unterschiedlicher Studien ergeben sich immer mehrere Probleme. Die meisten Studien zu einem Thema nutzen nicht die gleichen Messinstrumente, untersuchen unterschiedliche Symptome und berichten unterschiedliche Effektstärken. So verhält es sich auch mit dieser Studie, was die Vergleichbarkeit mit der Metastudie von Kröger und Kosfelder (2007) erschwert.

Davidson et al. (2006) differenzieren selbstschädigendes Verhalten stärker als Kröger und Kosfelder (2007). Sie unterscheiden Selbstverletzungen, die in der Notaufnahme endeten, von suizidalen Verhalten. Bei ersteren kam es zwar zu starken selbstschädigendem Verhalten, allerdings war kein Suizid beabsichtigt. Bei letzterem kam neben dem selbstschädigenden Verhalten noch die Absicht der Selbsttötung hinzu. Eine weitere von Davidson et al. (2006) gemessene Variable ist, ob die Einweisung in eine Psychiatrie im Untersuchungszeitraum notwendig war. Es wurden außerdem noch „secondary variables“ also zweitrangige Variablen gemessen, von denen allerdings nur „social functioning“ mit einer weiteren Variable (soziale Anpassung) der Metastudie von Kröger und Kosfelder (2007) vergleichbar ist. Diese Variable weist allerdings in der Studie von Davidson et al. (2006) keinen signifikanten Effekt auf.

Nach der Umrechnung der Effektstärken der Studie von Davidson et al. (2006) in die Effektstärke d, welche bei ausreichend hoher Stichprobengröße, die hier vorliegt (N=102), fast zu gleichen Ergebnissen führt wie die Berechnung der Effektstärke g, können die Ergebnisse der Studien von Davidson et al. (2006) und Kröger & Kosfelder, 2007 verglichen werden.

Fasst man suizidales und selbstverletzendes Verhalten aus der Studie von Davidson et al. (2006) als potenziell selbstschädigendes Verhalten (eine Variable der Studie von Kröger und Kosfelder (2007)) zusammen, kann hier eine Variable beider Studien direkt verglichen werden. Für beide Therapien werden ähnliche Effektstärken berechnet. Davidson et al.‘s (2006) Studie weist einen Effekt von d= 0,71 auf, was ein fast starker Effekt laut Konvention ist. Dieser ist etwas größer als der von Kröger und Kosfelder (2007) berechnete Effekt der Dialektisch-Behavioralen Therapie mit g= 0,61.

Bezüglich der sozialen Anpassung jedoch konnten Davidson et al. (2006) für die kognitive Verhaltenstherapie gar keinen Effekt nachweisen, Kröger und Kosfelder (2007) hingegen einen großen (g= 1,09). Berichtenswert ist ansonsten noch, dass laut Davidson et al. (2006) die kognitive Verhaltenstherapie die Häufigkeit der Einweisungen in Psychiatrien reduziert. Allerdings ist der Effekt mit d= 0,35 nur schwach bis mittelstark. Schwach bis mittelstarke Effekte sind in der Psychologie allerdings nicht per se ein schwaches Ergebnis.

Die kognitive Verhaltenstherapie ist eine alternative zu der dialektischen Verhaltenstherapie, deren Wirksamkeit auf wissenschaftlichen Untersuchungen fußt. Besonders bezüglich selbstverletzenden und suizidalen Verhaltens weist die kognitive Verhaltenstherapie sehr ansehnliche Effektstärken auf. Beide Variablen sind insbesondere bei Borderlinern hochrelevant. Darüber hinaus reduziert die kognitive Verhaltenstherapie die Notwendigkeit von stationären Behandlungen, was, wie bereits erwähnt, ein wichtiger Kostenpunkt ist bei der Behandlung der Borderline-Persönlichkeitsstörung.

Psychopharmaka

Was ist eigentlich mit den guten alten Tabletten? Existiert vielleicht die Wunderpille? Die Antwort ist ein klares Jaein. In einer Metastudie von Nosè, Cipriani, Biancosino, Grassi und Barbui (2006) wurden unterschiedliche Psychopharmaka und ihre Auswirkung auf unterschiedliche Symptome der Borderline-Persönlichkeitsstörung geprüft. Zum Zeitpunkt der Studie war bereits bekannt, dass Psychopharmaka die Symptomatik der Borderline-Störung mildern können. Nosè et al. (2006) wollten mit ihrer Übersichtsarbeit allerdings prüfen, ob Medikamente auch den stabilen Kern der Störung beeinflussen würden.

Unter Berücksichtigung von 20 Doppelblindstudien wurde der Effekt auf Borderline-Symptome wie Impulsivität, emotionale Instabilität oder Aggressivität überprüft. Da keine verrechenbaren Effektstärken berichtet wurden, an dieser Stelle nur die Ergebnisinterpretation.

Insgesamt konnte der bisherige Kenntnisstand durch die Metastudie bestätigt werden. Darüber hinaus allerdings geben die Daten keine Hinweise darauf, dass alleine durch Medikamente die Kernproblematik einer Borderline-Persönlichkeitsstörung behandelt werden kann.

Antidepressiva, insbesondere der Wirkstoff Fluoxetin, wirkt emotional stabilisierend und reduziert die Impulsivität. Mood stabilizer, zu Deutsch Phasenprophylaktikum, wie Topiramat oder Lamotrigin haben ebenfalls eine emotional stabilisierende Wirkung, effektiver fällt ihre Wirkung allerdings gegen Aggression aus. Neuroleptika zeigen allgemein einen nur sehr geringen Effekt (Nosè et al., 2006).

Psychopharmaka können also durchaus eine positive Wirkung auf unterschiedliche Symptome der Borderline-Persönlichkeitsstörung haben und in unterschiedlichen Situationen ist die Einnahme von Psychopharmaka sicherlich angebracht. So können sie zum Beispiel eine Psychotherapie unterstützen. Dass Psychopharmaka eine Psychotherapie ersetzen könnten, ist laut aktueller Datenlage allerdings sehr unwahrscheinlich.

Literaturverzeichnis

Davidson, K., Norrie, J., Tyrer, P., Gumley, A., Tata, P., Murray, H. et al. (2006). The effectiveness of cognitive behavior therapy for borderline personality disorder. Results from the borderline personality disorder study of cognitive therapy (BOSCOT) trial. Journal of personality disorders, 20 (5), 450–465.

Kröger, C. & Kosfelder, J. (2007). Eine Meta-Analyse zur Wirksamkeit der Dialektisch-Behavioralen Therapie bei Borderline-Persönlichkeitsstörungen. Zeitschrift für klinische Psychologie und Psychotherapie, 36 (1), 11–17.

Nosè, M., Cipriani, A., Biancosino, B., Grassi, L. & Barbui, C. (2006). Efficacy of pharmacotherapy against core traits of borderline personality disorder. Meta-analysis of randomized controlled trials. International clinical psychopharmacology, 21 (6), 345–353.