Studienblog

Persönlichkeitsentwicklung bei Kinder

Bildungsniveau der Eltern beeinflusst Resilienz bei Kindern!

Resilienz beschreibt die allgemeine psychische Widerstandsfähigkeit einer Person. Es handelt sich also um eine allgemeine Verhaltenstendenz und somit um ein Persönlichkeitsmerkmal. In der Persönlichkeitspsychologie ordnet man der Resilienz insbesondere die Persönlichkeitsdimensionen emotionale Stabilität (niedriger Neurotizismus) sowie hohe Gewissenhaftigkeit (Oshio et al. 2018) bzw. verwandte Charakterzüge zu. Wie wichtig beide Dimensionen für den beruflichen Erfolg, die Gesundheit und die Langlebigkeit einer Person ist, beschreiben wir in mehreren Blogartikeln. Als Eltern fragt man sich natürlich, wie kann man die Persönlichkeitsentwicklung des eignen Kindes fördern, damit dieses eine möglichst hohe Resilienz entwickelt. Hier zeigt sich, dass das Bildungsniveau der Eltern bzw. deren sozioökonomische Status Einfluss auf die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes nimmt. Je gebildeter die Eltern, desto resilienter das Kind.

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Sozioökonomischer Status und Resilienz von Kindern

Der sozioökonomische Status einer Person ergibt sich klassischerweise aus dem Bildungsgrad sowie dem Einkommen einer Person. Bildung und Einkommen sind stark korreliert und stellen einen guten Indikator dar für die Ähnlichkeit der Lebensrealität zwei Personen dar.

Menschen, die studiert haben, unterscheiden sich von Personen mit Berufsausbildung. Alleine aufgrund des größeren Zeitraums, den Erstere mit Lernen verbracht haben. Unterschiedliche politische Konzepte, unterschiedliche Lebensentwürfe und unterschiedliche Lebenserfahrungen sind weitere Aspekte, in denen sich Personen mit und ohne universitärer Bildungserfahrungen unterscheiden

Gleiches gilt für das Einkommen. Mechaniker bei großen deutschen Autofirmen haben oftmals ein Einkommen weit über dem eines Sozialarbeiters. Letzterer musst allerdings studieren, um seinen Beruf auszuüben. Bei Ersteren reichte eine Ausbildung. Ein hohes Einkommen ermöglicht allerdings eine andere Art von Konsum sowie einen größeren Grad an Konsum. Auch hier ergeben sich entsprechend unterschiedliche Lebenserfahrungen.

Da Bildungsgrad und Einkommen so stark im Zusammenhang stehen, unterscheiden sich hoch gebildete Menschen in der Regel nicht nur aufgrund ihrer Bildung, sondern auch aufgrund ihres Einkommens von wenig gebildeten Menschen.

Da Bildungsgrad und Einkommen einen starken Einfluss auf die Erfahrungswelt eines Menschen nimmt, ist es wenig verwunderlich, dass sich auf vielen Ebenen unterschiedliche Verhaltensweisen und Kennwerte ergeben. Es ist zum Beispiel seit Langem bekannt, dass Kinder aus Familien mit hohen sozioökonomischen Status zu einem großen Grad intelligenter sind als Kinder aus Familien mit niedrigen sozioökonomischen Status (Capron und Duyme 1989; Ayoub et al. 2018). Die Intelligenz wiederum hat weitreichenden Einfluss auf viele bedeutende Faktoren, wie den Karriereerfolg beispielsweise. Auch Resilienz bzw. die Persönlichkeit beeinflusst viele Lebensvariablen. Ist auch sie stark beeinflusst vom sozioökonomischen Status der Eltern?

Wie der Bildungsgrad der Eltern die Resilienz von Kindern beeinflusst.

Tatsächlich ergibt sich ein überraschendes Bild, wenn der Zusammenhang zwischen sozioökonomischen Status und der Persönlichkeit geprüft wird. Während die Intelligenz gut belegbar vom sozioökonomischen Status der Eltern beeinflusst wird, ist er Einfluss auf die Persönlichkeit weniger eindeutig.

Ayoub et al. (2018) haben per Online-Umfrage die Persönlichkeit sowie den sozioökonomischen Status der Eltern von über 2 Millionen Menschen gemessen und konnten abgesehen von einer Persönlichkeitsdimension nur kleinste Effekte finden. Alleine Dimension Offenheit für Erfahrung erreicht in der Studie eine Effektstärke von r= 0,12. „r“ steht hierbei für den Korrelationskoeffizienten. Werte von r= 0,12 sind zwar üblich in der Psychologie, gelten allerdings dennoch als kleiner Effekt.

Die Ergebnisse sind insofern überraschend, als das der sozioökonomische Status auch als Indikator für gewählte Erziehungsmethoden bzw. den Erziehungsstil gilt (Deckers et al. 2015), was wiederum das Verhalten des Kindes beeinflusst. Hinzu kommt, dass sich der gefundene Effekt auf Offenheit für Erfahrung bezieht, eine Persönlichkeitsdimension, die weniger stark mit Resilienz im Zusammenhang steht.

Die Studien von Jonassaint et al. (2011) und Deckers et al. (2015) kommen hierbei allerdings zu einem anderen Ergebnis. Vor allem letztere Studie weist zwar mit einer Stichprobe von 732 Kindern (mit ihren Eltern) eine bei weitem kleinere Stichprobe auf als die Studie von Ayoub et al. (2018) allerdings ist die Messmethodik sehr viel feiner. Deckers et al. (2015) haben nicht Erwachsene an einer Online-Umfrage teilnehmen lassen, sondern haben die Persönlichkeit von sieben bis neun-Jährigen aufwendig gemessen.

Bei so jungen Kindern sind einfache Befragungen nicht sinnvoll. Die Persönlichkeit bzw. das Temperament (bei Kindern wird meist vom enger definierten Temperament gesprochen) wurde mittels unterschiedlicher Spiele ermittelt. Zudem wurde der IQ der Kinder sowie der IQ der Eltern gemessen und die Eltern wurden detailliert über ihren Erziehungsstil befragt. Außerdem erfolgte 16 Monate nach der ersten Befragung eine zweite Persönlichkeitsmessung.

Es zeigt sich, dass wenn der sozioökonomischen Status der Eltern steigt, sich auch die Fähigkeit des Kindes zu geduldigen Verhalten verbessert. Außerdem ändert sich das Risikoverhalten. Statt impulsiv hohe Gewinne mit großer Unsicherheit zu bevorzugen, wählen solche Kinder häufiger niedrige Gewinne, die dafür sicher sind.

Geduld sowie ein Risikoverhalten, welches den sicheren Gewinn einem sehr unsicheren Erfolg gegenüber bevorzugt, sind wichtige Eigenschaften, um langfristig erfolgreich zu sein. Erfolg kommt nicht über Nacht. Es kann Jahre dauern, bis sich kontinuierliche Arbeit auszahlt. Das zählt auch für die Schule, in der lange Wartezeiten auf sich zu nehmen sind, bis sich Übungszeiten in einer Klausur auszahlen. Ähnliches gilt für impulsives Risikoverhalten. Kurzfristig mag man dank Spicker erfolgreich in Schularbeiten sein. Langfristig hingegen ist derjenige erfolgreicher, der sich auf Klausuren vorbereitet. Planvolles, geduldiges Verhalten, ohne sich kurzfristigen Verlockungen hinzugeben, wird in den Persönlichkeitsdimensionen Gewissenhaftigkeit sowie emotionale Stabilität (niedriger Neurotizismus) beschrieben. Genau diejenigen Dimensionen, die mit Resilienz konstituieren.

Welchen Studienergebnissen mehr glauben zu schenken ist, ist in diesem Fall sehr schwer zu bewerten. Einerseits weist Ayoub et al. (2018) Studie eine extrem große Stichprobe auf. Andererseits ist auch die Stichprobe von Deckers et al. (2015) ausreichend groß. Zudem erfolgte hier eine sehr viel detailliertere Messung. Auch konnten sich bei Deckers und Kollegen (2015) Erhebungsmethoden weniger Messfehler einschleichen. Zum Beispiel wurden die Eltern direkt befragt und außerdem wurde der Erziehungsstil erhoben. Beides entfiel in Ayoubs (2018) Studie. Die eine Studie besticht mit Quantität, die andere mit Qualität. Wir schlagen uns auf die Seite von Deckers und Kollegen (2015) allerdings mit dem Hinweis, dass die Effekte klein sind. Deckers Studie hilft hier direkt die Größe der gefundenen Effekte einzuordnen, da sie auch die Intelligenz der Kinder erhoben haben. So ist der Einfluss des sozioökonomischen Status auf die Persönlichkeit der Kinder nur ca. halb so groß wie dessen Einfluss auf die Intelligenz.

Warum wirkt sich der sozioökonomische Status der Eltern auf die Resilienz der Kinder aus?

Die Antwort auf diese Frage liefert die Studie von Deckers et al. (2015) direkt mit. Es zeigt sich, dass in Familien mit hohem sozioökonomischen Status der elterliche Erziehungsstil zu mehr hoch interaktiven gemeinsamen Aktivitäten führt. Die Eltern beschäftigten sich zwar insgesamt weniger mit ihren Kindern, allerdings intensiver. Ihre Erziehungsmethode weist weniger inkonsistentes Verhalten auf. Konsequenzen wie Belohnungen oder Bestrafungen werden nicht nur ausgesprochen, sondern auch umgesetzt. Allgemein verlassen sich die Eltern hier weniger stark auf Bestrafungen und insgesamt liegt eine „wärmere“, liebevollere Atmosphäre. Zudem haben Eltern mit hohen sozioökonomischen Status häufiger nur ein Kind bzw. weniger Geschwister. Förderung und Aufmerksamkeit teilt sich entsprechend auf weniger Kinder auf.

Überaus spannend ist außerdem, dass Kinder von Müttern mit hohem sozioökonomischen Status ein höheres Geburtsgewicht aufweisen und seltener Frühchen zur Welt bringen. Ein weiterer potenzieller Grund, warum Kinder in Familien mit hohem sozioökonomischen Status vorteilhaftere Persönlichkeitszüge entwickeln, ist also, dass sie bereits gesünder zur Welt kommen.

Insgesamt ist es also nicht die bloße Tatsache, dass die Eltern höher gebildet sind oder mehr Geld verdienen, die Kinder resilienter werden lässt, sondern dass solche Eltern vorteilhaftere Erziehungsmethoden anwenden.

Literaturverzeichnis

Ayoub, Mona; Gosling, Samuel D.; Potter, Jeff; Shanahan, Michael; Roberts, Brent W. (2018): The relations between parental socioeconomic status, personality, and life outcomes. In: Social Psychological and Personality Science 9 (3), S. 338–352.

Capron, Christiane; Duyme, Michel (1989): Assessment of effects of socio-economic status on IQ in a full cross-fostering study. In: Nature 340 (6234), S. 552–554. DOI: 10.1038/340552a0.

Deckers, Thomas; Falk, Armin; Kosse, Fabian; Schildberg-Hörisch, Hannah (2015): How does socio-economic status shape a child's personality? Jonassaint, Charles R.; Siegler, Ilene C.; Barefoot, John C.; Edwards, Christopher L.; Williams, Redford B. (2011): Low life course socioeconomic status (SES) is associated with negative NEO PI-R personality patterns. In: International journal of behavioral medicine 18 (1), S. 13–21. DOI: 10.1007/s12529-009-9069-x.

Oshio, Atsushi; Taku, Kanako; Hirano, Mari; Saeed, Gul (2018): Resilience and Big Five personality traits: A meta-analysis. In: Personality and Individual Differences 127, S. 54–60